Sechs Wochen nach der Wahl steht die schwarz-grüne Koalition in Nordrhein-Westfalen. Mit dem „Zukunftsvertrag für Nordrhein-Westfalen“ haben sich Grüne und CDU einiges vorgenommen: Das Bundesland soll zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas werden. An den Überwachungsgesetzen der schwarz-gelben Vorgängerregierung rüttelt die Koalition dagegen nicht – obwohl die Grünen sie in der Vergangenheit scharf kritisiert hatten.
Genau genommen handelt es sich um eine stillschweigende Übernahme des Status Quo: Zum Thema Staatstrojaner verliert der Koalitionsvertrag nämlich kein Wort. Damit bleibt alles beim Alten: Polizei wie Verfassungsschutz in NRW dürfen weiterhin mit Staatstrojanern Geräte wie zum Beispiel Handys hacken und Nachrichten auslesen – auch wenn diese verschlüsselt verschickt wurden. Es ist ein massiver Eingriff in die Privatsphäre.
Weiterhin Staatstrojaner für Polizei und Verfassungsschutz
Vor der Einführung des neuen Polizeigesetzes im Land hatten die Grünen diese Technologie noch als „gefährlich“ bezeichnet. In ihrem Wahlprogramm hieß es im Abschnitt über den Verfassungsschutz: „Den Einsatz von besonders grundrechtsproblematischen Befugnissen wie Staatstrojanern zur Überwachung elektronischer Geräte, die die IT-Sicherheit aller Bürger*innen gefährden, lehnen wir ab.“
Die CDU wollte hingegen noch einen Schritt weiter gehen und auch die Online-Durchsuchung ermöglichen. Damit konnte sie sich jedoch in den Verhandlungen nicht durchsetzen. Mit der Online-Durchsuchung dürften Behörden Staatstrojaner nicht nur benutzen, um die laufende Kommunikation zu überwachen, sondern auch, um gespeicherte Daten von der Festplatte auszulesen.
Einen kleinen Lichtblick gibt es im Vertrag: Über Sicherheitslücken in IT-Systemen schreiben die Parteien: „Wir setzen uns […] dafür ein, diese Lücken bestmöglich zu schließen, und sehen von deren Nutzung ab.“ Ein Kritikpunkt an Staatstrojanern ist, dass sie Anreize für den Staat schaffen, Sicherheitslücken offenzuhalten und selbst auszunutzen, um die Schadsoftware zu installieren.
Herbert Reuls harter Kurs wird sich fortsetzen
Generell wird sich an der Innenpolitik in NRW wohl wenig ändern. Innenminister bleibt wie auch in den letzten fünf Jahren Herbert Reul. Der CDU-Politiker gilt als Hardliner in der Sicherheitspolitik, sieht sich als Verfechter einer Null-Toleranz-Strategie gegen Kriminalität. Das 2018 unter ihm eingeführte Polizeigesetz ermöglichte der nordrhein-westfälischen Polizei erstmals den Einsatz von Staatstrojanern.
Doch es enthielt auch andere Verschärfungen und Grundrechtseingriffe: Gewahrsam für bis zu vier Wochen, Videoüberwachung im öffentlichen Raum, elektronische Fußfesseln und Kontaktverbote gehörten zu den Kritikpunkten seiner Gegner*innen.
Die Grünen stimmten damals als einzige Fraktion im Landtag dagegen. Im Wahlkampf kündigten sie an, das Gesetz überarbeiten zu wollen: Laut Programm sollten präventive Ingewahrsamnahmen auf 48 Stunden begrenzt, anlasslose Kontrollen abgeschafft und Taser nur für Spezialeinheiten eingeführt werden.
Außerdem wollten die Grünen eine Kennzeichnungspflicht einführen, die es erleichtern würde, einzelne Polizist*innen zu identifizieren und damit Fehlverhalten zu melden. Eine solche Pflicht hat es in NRW bereits einmal gegeben, sie wurde 2017 aber wieder abgeschafft.
In den Koalitionsvertrag geschafft hat es davon nichts. Die CDU hat sich weitestgehend durchgesetzt. „Wir werden nicht eine große Reform des Polizeigesetzes erleben, wie man es vielleicht erwartet hätte, nein, es bleibt bei dieser Politik der inneren Sicherheit, es bleibt bei der Politik von Herbert Reul“, verkündete Ministerpräsident Hendrik Wüst auf dem CDU-Parteitag Ende Juni. Stattdessen sollen pro Jahr 3000 neue Polizist*innen eingestellt werden. Einen unabhängigen Polizeibeauftragten beim Landtag soll es in Zukunft allerdings geben.
Auch das Versammlungsgesetz bleibt unverändert
Zur Politik von Herbert Reul gehört auch das Ende 2021 verabschiedete Versammlungsgesetz. Es soll ebenfalls unverändert bleiben. Die Koalition möchte es lediglich Ende 2023 überprüfen, das ist aber im Gesetz ohnehin vorgesehen.
Das Gesetz enthält neue Befugnisse für die Polizei bei der Videoüberwachung von Demonstrationen, bei Vorkontrollen auf der Anreise und beim Erfassen der Namen von Ordner*innen. Besonders in der Kritik steht auch das sogenannte „Militanzverbot“: Wer durch Uniformierung „Gewaltbereitschaft vermittelt und dadurch einschüchternd wirkt“, kann mit bis zu zwei Jahren Haft bestraft werden.
Auch hier stimmten die Grünen ursprünglich gegen das Gesetz. Kurz vor der Verabschiedung kritisierte die Fraktionsvorsitzende Verena Schäffer, damals innenpolitische Sprecherin, das Gesetz sei darauf ausgelegt, „in jeder Versammlung eine Gefahr zu sehen“. Die Grüne Jugend bemängelte das Festhalten am Versammlungsgesetz bereits nach den Sondierungsgesprächen vor einigen Wochen.
Gegenüber netzpolitik.org sagte Verena Schäffer nun, die Grünen hielten an ihrer Kritik an dem Gesetz fest. Bei der Evaluation 2023 würde sich die Möglichkeit bieten, Änderungen auf den Weg zu bringen.
>> Darunter auch harte Überwachungsmaßnahmen, die die Grünen eigentlich streichen wollten. <<
Manche Zeiten lassen sich nicht wenden.
Die Grünen haben gerade Ferda Ataman bekommen und werden daher im Gegenzug weitere Zugeständnisse machen.
Wundert jetzt keinen, der die Dunkelgrünen in Landes- oder Bundesregierung beobachtet…
Auf einer anderen Bühne drücken die Grünen gerade CETA durch.
Rot-Grün war schonmal eine Abrissbirne, das Bild vom eher unschuldigen Kellner unterm Koch Schröder ist nicht haltbar aber mit dem Wunschpartner CDU auch nicht mehr nötig.